Tous les changements, même les plus souhaités ont leur mélancolie,
car ce que nous quittons, c’est une partie de nous-mêmes ;
il faut mourir à une vie pour entrer dans une autre.

Anatole France: Le Crime de Sylvestre Bonnard (1881)

Berlin, 18. Juli 2023

Liebe Mitglieder,

als Staatspräsident hat man es in Frankreich nicht leicht: Während der deutsche Regierungschef persönlich ein weitgehend unbeachtetes Dasein fühert, ist Emmanuel Macron durchweg Ziel schärfster Kritik. Wahlweise wird ihm Überheblichkeit oder Arroganz vorgeworfen, wenn er aber nach der Rugby-Meisterschaft von Stade Toulousain (Frankreich ist seit den Tagen fastgar des Hundertjährigen Krieges mit England eine große Rugby-Nation) mit der Mannschaft in einem Zuge eine Flasche Bier austrinkt, gilt das als „Symbol toxischer Männlichkeit“ (Grünen-Chefin Sandrine Rousseau) oder zumindest gesundheitspolitisch höchst verfehlte Botschaft (Arthur Delaporte von den Sozialisten).

Ebenfalls scharf kritisiert wird indes auch die intellektuell anspruchsvolle Kenntnis des Werks des aus Breslau stammenden deutschen Soziologen Norbert Elias über den „Prozess der Zivilisation“. Wenn es vielleicht auch seine Mitarbeiter waren, die zusammen mit dem Politologen Jerôme Fourquet daraus geschöpft haben, so hat der Staatspräsident sich doch – vielleicht überscharf –den Gedanken der „Entzivilisierung“ als Zeitdiagnose zu eigen gemacht. Die Verwilderung der Sitten mit Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute, Mordrohungen und übelsten Beschimpfunge gegenüber Politikern sowie gewalttätige Aktionen der verschiedensten Art, zeigen für ihn eine beunruhigende Entsittlichung. Dass Deutschland hier nicht allzu fern liegt, demonstrieren spektakulär Ereignisse nicht nur der Silvesternacht in Berlin. Für den Philosophen Pascal Bruckner steht diese klare Positionierung im Gegensatz zu einer üblicherweise „affektiven Politik, die darauf abziele, die Bürger zu trösten.“ Die vom Staatspräsidenten kritisierten Erscheinungen sind für ihn „das Symptom eines tiefen Malaises“ und er schließt leider mit der beunruhigenden Feststellung „Frankreich ist der kranke Mann Europas.“

Table de matières

Avant-propos1
Signale aus Südwest2
Jubiläum in schwieriger Zeit2
Premiere in Paris3
Werbung für das INSP an der Universität Freiburg5
Vierzig Jahre Solidarität5
Ziemlich beste Freunde6
„Le style, c’est l’homme“6
Pariser Lehrjahre7
Deutsch-Französischer Nachhaltigkeitsdialog8
Über fünf Brücken musst Du geh’n9
Aus dem Mitgliederkreis9

Signale aus Südwest

Wie bereits berichtet, bemüht sich der neue französische Generalkonsul in Stuttgart, Gael de Maisonneuve, um einen engen Kontakt zu unseren Mitgliedern im Südwesten. Am 22. Juni hatte unser Mitglied Andreas Uebler (Emmendingen/Sélestat) ein Gespräch mit ihm, bei dem es vor allem um Fragen des deutschen Wahlrechts, Aufgaben und Funktion der baden-württembergischen Landkreise und die grenzüberschreitende Kooperation am Oberrhein ging.

Die „Ehemaligen“ in Baden-Württemberg wurden auch zum Empfang anlässlich des Nationalfeiertags am 14. Juli ins Stuttgarter Gebäude des Verbands der Metall- und Elektroindustrie „Südwestmetall“ eingeladen. Andreas Uebler berichtet von einer interessanten Veranstaltung mit über 350 Teilnehmern. Für den Abend desselben Tages hatte die renommierte Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier zur Eröffnung einer Ausstellung mit Werken des aus Baden-Württemberg stammenden und in Frankreich lebenden Bildhauers Robert Schad eingeladen. Wir haben im „Forum“ vom 5. April bereits über die derzeit laufende, groß angelegte Ausstellung von 62 Stahlskulpturen des Künstlers an 33 historischen Orten in der Region Bourgogne/Franche-Comté berichtet.

Jubiläum in schwieriger Zeit

Am 3. Juli fand in Ludwigsburg ein Festakt anlässlich des 75. Jubiläums des dortigen Deutsch-Französischen Instituts statt, an dem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprachen. Ursprünglich war für diesem Tag dort auch der Beginn des Staatsbesuchs von Staatspräsident Emmanuel Macron vorgesehen, der aber wegen der aktuellen Unruhen ausfallen musste. Vertreten wurde er von Botschafter François Delattre. Ein gewisses Aufsehen erregte bei dem Anlass die Feststellung des Ministerpräsidenten, dass angesichts künftiger Möglichkeiten der KI das „mühselige Sprachenlernen“ nicht mehr so wichtig sei. Lebhafte Proteste gegen diese Aussage, bei denen auf den vielfältigen zusätzlichen Nutzen von Fremdsprachen hingewiesen wurde, waren vorhersehbar.

Anlässlich seines Jubiläums hatte das Deutsch-Französische Institut Ludwigsburg mit Unterstützung der Wüstenrot Stiftung und der Baden-Württemberg Stiftung beim Institut für Demoskopie Allensbach eine Meinungsumfrage in der deutschen und französischen Bevölkerung in Auftrag gegeben. Parallel dazu wurde auch Italien in den Blick genommen.

Zwar ist für 76% der Deutschen und immerhin 63% der Franzosen die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland wichtig oder sogar sehr wichtig. Allerdings geben 63% der Franzosen an, sich kaum oder gar nicht für Deutschland zu interessieren, umgekehrt sind es aber auch 41%. Gemeinsam ist der Bevölkerung in beiden Ländern, dass jeweils nur ein Drittel den kommenden zehn Jahren hoffnungsvoll entgegenblickt, wobei die Jugend positiver gestimmt ist. Ganz besonders lässt sich dies in Deutschland feststellen, wo 62% der unter 30jährigen hoffnungsvoll in die Zukunft schauen (Anmerkung: Also herrscht offensichtlich keine allgemeine „Last Generation“-Panik). Eine besondere Schwachstelle ist der gesellschaftliche Zusammenhalt, den 74% der befragten Franzosen als schwach oder sogar sehr schwach beurteilen. Deutliche Unterschiede finden sich bei den Antworten auf die Frage, wie es mit dem Einfluss Deutschlands auf die EU steht. Während 35% in Frankreich meinen, dieser sei zu groß, glauben dies in Italien 58%. Näheres unter https://www.dfi.de/aktuelles/meldungen/einzelansicht/grosse-allensbach-umfrage-anlaesslich-75-jahre-dfi .

Premiere in Paris

Am 6. und 7. Juli fanden am Pariser Standort des INSP in der Avenue de l’Observatoire – mit organisiert in Zusammenarbeit mit der Luxemburgerin Françoise Klein von unserem Vorstandsmitglied Ralf Schnieders – die „Rencontres européennes de l’INSP“ statt. Veranstalter war das INSP in Kooperation mit dem „Réseau Europe“ der internationalen Confédération und den Ehemaligen des Cycle des hautes études européennes (Chee).

Den Auftakt machte für die deutschen Teilnehmer (Foto) ein Termin in der Botschaft, bei dem Botschafter Hans-Dieter Lucas aber leider kurzfristig wegen eines anderen hochrangigen Besuchs verhindert war. Vertreten wurde er vom Wirschaftsgesandten Michael Frank, der auf manche Ambivalenzen in den gegenseitigen Beziehungen hinwies. Am Abend folgte eine Einladung des Conseil économique, social et environnemental in das Palais d’Iéna. Stanislas Guerini, Ministre de la transformation et de la fonction publiques, sprach dabei ein Grußwort, in dem er die Bedeutung der Confédération und des im letzten Jahr gegründeten Réseau Europe für den Zusammenhalt der Ehemaligen würdigte.
Am Folgetag eröffnete Laurence Boone, Staatssekretärin für Europa am Quai d’Orsay, die Arbeitstagung. Mit insgesamt vier Tables-rondes zu aktuellen politischen Themen wollte das INSP sich damit unter Beteiligung der nationalen Ehemaligenvereinigungen einem europaweiten Publikum vorstellen. Bereits in einem Vorgespräch hatte die Direktorin des INSP, Maryvonne Le Brignonen, gegenüber den ausländischen Vertretern das große Interesse an einer internationalen Vernetzung der Schule betont.
Auf einem ersten Podium „Quelle Europe bâtir pour défendre la paix et la prospérité sur le continent?“ diskutierte unser Mitglied Joachim Bitterlich mit dem ehemaligen EU-Kommissar Julian King, Botschafterin a. D Claude-France Arnould, dem japanischen Botschafter in Paris Yasushi Masaki, und David Cvach, Europadirektor am Quai d’Orsay, alles dies ENA-Ehemalige. Thema waren die aktuellen strategische Fragestellungen auf dem europäischen Kontinent. Es folgte eine Table-ronde zu einem sehr französischen Thema: „L’Europe face aux défis de la transition écologique et de la réindustrialisation“ mit hochrangigen Teilnehmern, u. a. Olivier Guersent, Generaldirektor Wettbewerb der Europäischen Kommission. Es folgten eine Table-ronde mit juristischem Schwerpunkt „Vers un modèle européen de société numérique?“ mit dem luxemburgischen Richter am EuGH Francois Biltgen, Louis Dutheillet de Lamothe, Generalsekretär der französischen Datenschutzbehörde CNIL, und Christine Roger, Generaldirektorin Justiz und Inneres beim Generalsekretariat des Rats sowie schließlich eine Table-ronde „Enjeux et défis communs aux administrations publiques européennes“, u. a. mit Frédéric Rauser vom INSP. Hier stand eine OECD-Studie über die Verwaltung in 22 Staaten mit leider nicht durchweg erfreulichen Ergebnissen was Vertrauen und Integrität angeht im Mittelpunkt. Unter den rund 160 Teilnehmern waren ein Dutzend deutsche Ehemalige, unter ihnen auch der einzige derzeitige deutsche Schüler am INSP, Sigurd Rothe. Online über „Acteurs Publics“ verfolgten die Veranstaltung mehr als 1.800 Zuschauer.
Samstagvormittag stand für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen abschließend eine Führung durch die Ausstellung „L’Europe de Gutenberg“ in der Bibliothèque Nationale Francois Mitterrand auf dem Programm.
Die Konferenz soll den Auftakt einer jährliche Veranstaltungsreihe bilden. Für 2024 hat sich der „Cercle européen ENA/INSP“ der Ehemaligen in Brüssel bereit erklärt, dort gemeinsam mit dem INSP die nächste Auflage des Treffens zu organisieren.

Werbung für das INSP an der Universität Freiburg

Die Zahl deutscher Studierender an der ENA war bereits seit längerem deutlich rückläufig. Mit dem Wechsel von der ENA zum INSP besteht die Gefahr, dass die Attraktivität des Ausbildungsangebots weiter nachlässt. Aus diesem Grunde werben wir insbesondere bei deutsch-französischen Studiengängen für ein Aufbaustudium in Straßburg.

Am 13. Mai stellte nun unser Mitglied Cathrin Gräber, deutsche Generalsekretärin des Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (AGZ) in Kehl, bei einem Berufsorientierungsseminar des Frankreichzentrums der Universität Freiburg die internationalen Programme des INSP vor. Etwa 40 Bachelor- und Master-Studierende aus den Fächern Interkulturelle Kommunikation, Wirtschaft und Journalismus konnten sich so ein Bild dieses Angebots, des Bewerbungsverfahrens und des Ablaufs der Ausbildung machen.

Weitere Mitwirkende war die Leiterin der Geschäftsstelle Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der IHK Südlicher Oberrhein, sonstige Erfahrungsberichte kamen von jungen Absolventen der Universität Freiburg. Die Studierenden interessierten sich besonders auch für deutsch-französische Karrierewege und den Einstieg in den öffentlichen Dienst. So konnten sie aus erster Hand erfahren, wie hilfreich deutsch-französische Brückenbauer in der Verwaltung sind und wie gewinnbringend dafür ein Studium an ENA/INSP sein kann.

In der Oberrheinregion ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ohnehin sehr präsent. Das machte sich beim Publikum bemerkbar, das sich auch für neue Instrumente der bilateralen Zusammenarbeit wie den „Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (AGZ)“ aufgeschlossen zeigte.

Vierzig Jahre Solidarität

Mit einem Empfang in den Salons de la Questure der Nationalversammlung hat die Promotion Solidarité (1981/83) am 5. Juni ihr 40jähriges Jubiläum begangen. Von uns haben Alfons Eggersmann (Karlsruhe) und Irene Liebau (Berlin) teilgenommen.

Ziemlich beste Freunde

So wie zu Zeiten schon des Preußenkönigs Friedrich II. stand Potsdam am 6. Juni im Mittelpunkt der deutsch-französischen Beziehungen. Nach länger andauernder Sprachlosigkeit hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron an seinen Wohnort und Wahlkreis Potsdam (den er 2012 mit 34% der Erststimmen gewonnen hatte) eingeladen. Der Bundeskanzler persönlich führte dabei in einer halben Stunde durch die wieder aufgebaute historische Innenstadt. Dann ging es – anders noch als bei Scholz‘ Vorgänger Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing – nicht in die häusliche Kellerbar, sondern zum laut Preesseberichten fast dreistündigen Abendessen ins Restaurant „kochZIMMER“ (ein Michelin-Stern) mit seiner „neuen preußischen Küche“, wo man sich in puristischem Interieur zu Tische setzte. Im Ergebnis sah der Bundeskanzler die „unzertrennliche Freundschaft“ zwischen beiden Ländern bestätigt. Genaueres über Ergebnisse des Austausches zu „bilateralen, europapolitischen und internationalen Themen“ wurde nicht bekannt.

https://www.spiegel.de/politik/olaf-scholz-empfaengt-emmanuel-macron-in-potsdam-a-dad49a37-27b2-48ec-9552-88551d4c924a

Weiter vertieft werden sollten die Beziehungen mit einem offiziellen Staatsbesuch Macrons vom 2. bis 4. Juli in Ludwigsburg, Dresden und Berlin, der aber wegen der Unruhen in Frankreich abgesagt wurde.


„Le style, c’est l’homme“

Ein schönes Beispiel für die Möglichkeiten einer „public diplomacy“ war am 2. Juni die Initiative von Botschafter François Delattre, Paris und Berlin unter Gesichtspunkten des aktuellen Bauens unter die Lupe zu nehmen. In der Diskussion wurde dabei eine mitunter mutige Architektur in Paris einem eher bürokratischen Mittelmaß in Berlin gegenübergestellt, auch wenn das als Musterbeispiel zitierte Centre Pompidou nun schon fast ein halbes Jahrhundert alt ist.

Wenn der Vergleich zugunsten von Paris ausfällt, ist das kaum ein Wunder: Dort konzentriert sich spätestens seit Ludwig XIV. alle Macht und aller Glanz des französischen Zentralstaats. Dies findet seinen Ausdruck in der Baukunst. In Deutschland – das ist Schwäche, aber auch Stärke zugleich – ballt sich auch architektonisch keinesfalls alles in der Hauptstadt. Architekturfreunde sollten sich daher in den größeren und kleineren Metropolen wie Hamburg, Düsseldorf und Köln, Frankfurt, Stuttgart und München, umsehen und dann in der Summe vergleichen.
https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/star-architekt-ueber-wohnviertel-am-hauptbahnhof-es-ist-ein-grosser-parkplatz-li.355718

Pariser Lehrjahre

Der in Berlin ansäßige, ambitionierte Elfenbein-Verlag, bekannt durch die zwölfbändige Gesamtausgabe des „Tanz zur Musik der Zeit“ von Anthony Powell, eines englischen, aber viel vergnüglicher zu lesenden, Gegenstücks zur „Suche nach der verlorenen Zeit“ hat sich anlässlich des 100. Geburtstages des Autors an eine vierbändige Ausgabe der Erinnerungen von Nikolaus Sombart, Sohn des berühmten Soziologen, gemacht, die vor kurzem im Berliner Literaturhaus vorgestellt wurde. Neben den im Berlin der Vorkriegszeit und dem Heidelberg der Vierzigerjahre spielenden ersten Bänden dürfte für die Leser und Leserinnen des „Forum“ vor allem die Neuauflage seiner „Pariser Lehrjahre“ von Interesse sein.

Nach Paris gekommen, um in der Bibliothèque Nationale an einer Habilitationsschrift über den Philosophen Simon Ballanche und den den Zusammenhang von Geschichtsphilosophie und Französischer Revolution zu arbeiten, wird Sombart schnell zu einem mit soziologischem Blick geschulten „teilnehmenden Beobachter“ der Stadt, ihres kulturellen Lebens und der Gesellschaft. Deutlich werden dabei Tiefenströmungen, die wohl auch heute noch nicht ihre Wirksamkeit verloren haben und deren Kenntnis hilft, Frankreich zu verstehen. Darüber hinaus bietet das Buch dem Pariskenner und der Pariskennerin eine ankdotenreiche, immer anregendes Lektüre.

Für die meisten Deutschen, die das Glück hatten, an der ENA noch in Paris zu studieren, wird der erste Tag in der Kapitale so wie für Sombart unvergesslich sein. Aufgrund seines Namens und alter Freunde des Vaters, aber auch einer beträchtlichen Portion Neugier, lernt Sombart die literarischen und politischen Heroen seiner Zeit kennen. Die geschilderten Begnungen sind ein wahres who’s who der Pariser Nachkriegszeit mit Namen wie Boris Souvarine, Nicolas Nabokov, Henri Michaux, André Gide, Clemens Heller, Gaston Bachelard, Emil Cioran, Jean Cocteau und Alexander Kojève. Eine besondere Rolle spielt für ihn – vermittelt durch Ernst Jünger – die Bekanntschaft mit Joseph Breitbach, für Sombart ein geheimnisvoller Machtmensch und eine „Figur wie aus einem französischen Roman“. Als intimer Kenner der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, der sich seit den Dreißigerjahren die deutsch-französischen Beziehungen zum Aufgabe gemacht hat, ist er eine Institution in Paris und öffnet Sombart manche Türen. Nicht jeder hat so ohne weiteres im Procope ein Sektfrühstück mit Raymond Aron und Dom Perignon. Wichtigster akademischer Lehrer wird ihm Maxime Leroy, der berühmten Herausgeber der auch heute noch unübertroffenen dreibändigen „Histoire des idées sociales en France“, der ihn in die Kreise von „Honoratioren, keiner ohne die Rosette der Ehrenlegion im Knopfloch“, einführt.

Immer wieder spürt Sombart den deutsch-französischen Beziehungen nach. Er berichtet über zaghafte Annäherungsversuche der Zwanzigerjahre und fragt nach dem „Geheimnis der Kollaboration“, die nur wenige Jahre nach dem Krieg noch unter den verschiedensten Aspekten ein großes Thema ist. Für Sombart zeigt sie die seit dem 19. Jahrhundert bestehende, tiefe politische und gesellschaftliche Polarisierung der „deux Frances“ zwischen links und rechts, des „Zustandes eines latenten Bürgerkriegs“.

Bemerkenswert ist, dass, bei aller intimen Kenntniss der französischen Verhältnisse, die Tagespolitik nirgends auftaucht. Mit Wonne berichtet Sombart dagegen von den Salons hochadeliger Damen, von exklusiven Modeschauen der großen Couturiers und einer Einladung auf den Landsitz des Fürsten Ruspoli in der Nähe von Paris. Alles andere als ein trockener Büchermensch nähert Sombart sich mit Genuss Kreisen des tout Paris und freut sich über seine (auch weiblichen) Bekanntschaften beim altem Adel des gratin des Faubourg St. Germain und der Haute Societé Protestante. Der Bottin Mondain ist ihm so ein immens wichtiges Nachschlagewerk. Sein ganz besonderes Augenmerk gilt der Rolle der französischen Frau, bis hin zur Grundlage von kulturphilosophischen Überlegungen, bei denen er die Hegelsche „Männerphilosphie der Geschichte“ überwinden will.

Nach zwei Jahren folgt Sombart dann einer Maxime, die ihm Carl Burckhardt mit auf den Weg gegeben hat – „nicht verdienen, sondern einer noblen Sache dienen“ – und entschließt er sich für eine Karriere beim Europarat: „Von Hegel zur Europäischen Gemeinschaft“ – ein hochgespanntes Motto, das wohl nicht jeder europäische Beamte für sich in Anspruch nehmen kann.

Nicolaus Sombart: Pariser Lehrjahre – Lecons de Sociologie. 1951-1954. Berlin 2023 (Elfenbein Verlag, 450 Seiten 29 Euro)

Deutsch-Französischer Nachhaltigkeitsdialog

Unser Mitglied Heike-Dagmar Joa weist auf eine deutsch-französische Veranstaltung hin.

Vom 5. bis 7. Oktober findet an der Universität Mannheim der 2. Deutsch-Französische Nachhaltigkeitsdialog unter dem anspruchsvollen Thema „Aus der Transparenz der Vergangenheit die Zukunft nachhaltig gestalten – Historische, ökonomische und kulturelle Aspekte“ statt (https://www.uni-mannheim.de/news/der-deutsch-franzoesische-nachhaltigkeitsdialog). Mit dem Deutsch-Französischen Nachhaltigkeitsdialog wurde 2021 von der Deutsch-Französischen Hochschule in Kooperation mit der ASKO Europa-Stiftung ein neues Forum begründet. Organisiert wird die Tagung von der Deutsch-Französischen Hochschule, der ASKO Europa-Stiftung (www.asko-europa-stiftung.de) und der Universität Mannheim.
 
Die Veranstaltung findet in der Aula der Universität Mannheim auf Deutsch sowie Französisch mit Simultanübersetzung statt. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung jedoch erforderlich, da die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt ist: https://www.asko-europa-stiftung.de/kooperationen/anmeldung-dfd-nachhaltigkeit .

Über fünf Brücken musst du geh’n

Unser Mitglied Andreas Uebler (Sélestat/Emmendingen) berichtet von Festivitäten und einem neuen Brückenschlag am Oberrhein.
Am 9. Juli fand im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft auf fünf Brücken am Oberrhein zwischen Vogtsburg im Kaiserstuhl und Neuenburg am Rhein ein grenzüberschreitendes „Radl-Vergnügen“ mit Touren zwischen 13 und sportlichen 102 Kilometern statt: https://labicyclette-franco-allemande.eu/la-bicyclette-de/ .
An diesem Tag wurde auch das Stauwehr der EDF zwischen Marckolsheim und Burckheim-Vogtsburg für den Fußgänger- und Radverkehr eröffnet. Damit entsteht nicht nur eine weitere offene Brücke zwischen Deutschland und Frankreich. Sie ermöglicht künftig auch Fußgängern und Radfahrern einen neuen grenzüberschreitenden Rundkurs über den Rhein hinweg.
Eine weitere Aufwertung des Bereiches erfolgt durch das Vorhaben der EDF, an der Rheinschleuse Marckolsheim eine passe à poissons (Fischtreppe) zu bauen. Die Arbeiten beginnen Ende Juli 2023 und werden etwa zwei Jahre dauern.

Aus dem Mitgliederkreis

Unser Mitglied Cathrin Gräber (Straßburg/Kehl) wurde für seine Verdienste um die deutsch-französische Zusammenarbeit zum Chevalier des Palmes académiques ernannt. Vorgenommen wurde die Auszeichnung am 30. Mai in der Staatskanzlei des Saarlandes durch Kulturbotschaftsrat Cyril Blondel in Anwesenheit des französischen Generalkonsuls Sébastien Girard.

Unser frischgebackenes Mitglied Nicolas Rudolph (Paris) arbeitet nun im Klimareferat des Quay d’Orsay und wird zum Herbst nach Brüssel zur EU-Kommission wechseln.

Beim Empfang anlässlich des Nationalfeiertags am 14. Juli von Botschafter François Delattre in der Botschaft am Pariser Platz in Berlin haben von uns die Vorstandmitglieder Maria-Luise Löper, Ralf Schnieders (Foto) und Wolfgang Drautz teilgenommen.

Der Vorstand wünscht nun allen Mitgliedern eine schöne Ferienzeit
und meldet sich zur Rentrée wieder.