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Die Ecole Nationale d’Administration (ENA) war vielleicht die bekannteste der „grandes écoles“, die das französische Bildungssystem ganz spezifisch prägen. Sie wurde 1945 von Charles de Gaulle in Paris gegründet, um den Zugang zu Leitungsfunktionen des Öffentlichen Dienstes fachübergreifend zu regeln und transparenter zu machen. Damit sollten Konsequenzen aus dem Versagen der Eliten in Politik und Verwaltung der III. Republik in der Zeit des Zweiten Weltkriegs gezogen werden. Die Schule nahm im März 1946 mit 85 Schülern der Promotion „France Combattante“, unter ihnen spätere Berühmtheiten wie Alain Peyrefitte oder Simon Nora, ihre Arbeit auf. Seither wählt jeder Jahrgang einen – mehr oder weniger programmatischen – Namen. Die ENA wird bis heute als „Kaderschmiede“ der Französischen Republik angesehen, gesprochen wird kritisch von einer „Enarchie“.

Die Ausbildung der Studierenden, die bereits über Abschlüsse verschiedenster Fachrichtungen anderer renommierter Hochschulen verfügen, an dieser „école d’application“ ist in höchstem Maße anwendungsorientiert. Der theoretische Unterricht, Seminare (auch selbst organisiert) und Praktika in Verwaltung, Unternehmen und im Ausland ergänzen einander. Der Sitz der Schule wurde 1992 im Rahmen einer Dezentralisierung von Paris nach Straßburg verlegt. 

Die Aufnahme in die Schule erfolgt über strenge Aufnahmewettbewerbe („concours“) für verschiedene Zielgruppen. Am Ende der Studienzeit stand früher das “classement“: Die französischen Schüler wurden entsprechend dem Abschneiden in Prüfungen und Praktika vom ersten Platz, den der sog. „Majeur de promotion“ einnahm, bis zum letzten gelistet und konnten in dieser Reihenfolge frei aus allen zur Verfügung stehenden Beamtenstellen wählen. An der Spitze standen dabei traditionell die „grands corps de l‘Etat“ wie Staatsrat, Rechnungshof und Finanzinspektion. Dies hat sich nun mit den Reformen des Jahres 2022, die neben der Abschaffung der ENA insbesondere auch umfassende Neuregelungen der Beamtenlaufbahnen umfasst, geändert.

Bislang war es nicht unüblich, dass Absolventen ihre Beamtenlaufbahn unterbrachen, um wichtige Positionen in Politik und Wirtschaft Frankreichs anzustreben. Unter den Ehemaligen der ENA finden sich so vier französische Staatspräsidenten, zahlreiche Premierminister und weitere Regierungsmitglieder, Topmanager und hohe Beamte in EU-Institutionen und internationalen Organisationen.

Die französische Öffentlichkeit hat seit vielen Jahren immer wieder kontrovers über die ENA und ihre Absolventen diskutiert. 2021 hat Staatspräsident Emmanuel Macron eine umfassende Reform angestoßen. Mit einer „ordonnance“ vom 2. Juni 2021 hat die französische Regierung ab dem 1. Januar 2022 eine Nachfolgeeinrichtung für die ENA geschaffen, das Institut National du Service Public (INSP), am selben Sitz in Straßburg mit einer Außenstelle in der Hauptstadt. Am INSP soll künftig die Aus- und Fortbildung für die verschiedensten Zweigen der öffentlichen Verwaltung gebündelt werden. Die Einzelheiten werden durch Rechtsverordnungen geregelt, die Klärung vieler offener Fragen steht deshalb noch aus.

Die ENA kooperierte mit deutschen Partnern, wie der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und Institutionen in Bayern und Baden-Württemberg  . Dort wurde 1986 unter Ministerpräsident Lothar Späth in Karlsruhe eine „Führungsakademie“ nach dem Vorbild der ENA eingerichtet. Daneben beteiligte sich die ENA an deutsch-französischen berufsbegleitenden Fortbildungsprogrammen. Das INSP beabsichtigt, die internationale Zusammenarbeit fortzusetzen und sogar noch zu verstärken.

22 Juin 2022 : reportage à l'Institut National des Services Publics. Strasbourg (67), France.
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