„Athènes, la cité de la Raison antique,
Victor Hugo: Guide de l’exposition universelle de 1867
et Rome, le siège affirmé de la chrétienté,
ont trouvé leur successeur.
Paris est la ville où s’uniront le flambeau de la Liberté
et l’incarnation de la Fraternité.“
Berlin, 12. Oktober 2023
Liebe Mitglieder,
im „Forum“ haben wir bereits des Öfteren über deutsche Sprachlosigkeit in den Beziehungen zu unserem Nachbarland geschrieben. Nun aber ist man endlich – in allerdings überraschender Weise – zur Tat geschritten und hat im Zuge von Sparmaßnahmen die Schließung von gleich drei Einrichtungen des Goethe-Instituts in Frankreich – in Bordeaux, Lille und Straßburg – angekündigt. Allerdings sollen zum Ausgleich neue Institute unter anderem in Texas und dem Mittleren Westen der USA sowie im Südpazifik eröffnet werden. Gedacht wohl als kleiner Beitrag zum 60jährigen Jubiläum des Elysée-Vertrags und im Vorfeld des Treffens der beiden Regierungen am 9. und 10. Oktober in Hamburg, hat man in München und Berlin wohl verkannt, dass auch Kulturpolitik mit Politik zu tun hat.
Aus dem Mitgliederkreis haben uns dazu kritische Stimmen erreicht. So schreibt Edgar Horny aus Sao Paulo, dass er „mit Erstauen, das heißt eher Entsetzen“ von dem Vorhaben gelesen habe. Zu hoffen bleibt nur, dass das Thema noch in die richtigen Bahnen geleitet wird. Unsere Gesellschaft sollte sich dafür einsetzen. Bei allen Vorbehalten hat das Thema – gerade in dieser Zeit – im Verhältnis zu Frankreich Bedeutung als ein Symbol. Beim Treffen der Regierungen am 9./10. Oktober in Hamburg, bei dem auch sonst kaum von handfesten Ergebnissen zu hören war, wurde das Thema allerdings – vielleicht dem genius loci der Hafenstadt folgend – umschifft.
Table de matières
Avant-propos | Seite 1 |
Trotz Aufgeregtheit politische Fortschritte | Seite 2 |
Unser Jubiläum | Seite 3 |
Mail an alle | Seite 3 |
Ein Ende der „Frankophilie“ ? | Seite 4 |
Aufbruch oder weiter so ? | Seite 5 |
Deutsch-französische Initiative zur EU-Reform | Seite 6 |
„Lettre d’Allemagne“ | Seite 7 |
Termine | Seite 8 |
Freude am Oberrhein | Seite 8 |
Politischer Herbst und Frühlingserwachen | Seite 9 |
Spätsommerliches Treffen am Lietzensee | Seite 10 |
Aus dem Mitgliederkreis | Seite 10 |
UNESCO-Welterbe mit deutsch-französischer Geschichte | Seite 11 |
Trotz Aufgeregtheit politische Fortschritte
Hinter Frankreich liegen aufregende Wochen: Diesmal keine politischen Auseinandersetzungen, sondern die Rugby-Weltmeisterschaft, die am 8. September im Pariser Stade de France mit einem bemerkeswerten Sieg der „Tricolores“ über die „All Blacks“ aus Neuseeland eröffnet wurde und bis 28. Oktober dauert. In Deutschland wird dieses, nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterhaft mit 20 Nationalmannschaften weltweit wichtigste Sportereignis, kaum wahrgenommen. Die deutsche Mannschaft hatte sich nicht qualifiziert. Schaut man nach den Ursachen, gibt der berühmte Satz zu denken: „Fußball ist ein Spiel für Gentlemen, gespielt von Rowdys – Rugby ist ein Spiel für Rowdys, das von Gentlemen gespielt wird.“
Apropos Rugby: Präsident Emmanuel Macron musste sich mancherlei Kritik anhören, als er nach der französischen Rugby-Meisterschaft von Stade Toulousain in der Kabine mit den Spielern in einem Zuge eine Flasche Bier austrank („toxische Männlichkeit“). Wir berichteten im „Forum“. Ein anderer Stadionbesuch des Präsidenten, diesmal im „Vélodrome“ von Marseille, wo Papst Franziskus beim immerhin ersten Besuch eines Papstes seit 1533 in der Stadt vor 56.000 Gläubigen am 23. September eine Messe zelebrierte, löste nun aber Kritik von ganz anderen Seite aus. Vorgeworfen wurde ihm, damit das für die Republik grundlegende Prinzip staatlicher Laizität verletzt zu haben.
In Deutschland tut man sich schwer mit dem entscheidungsfreudigen Politikstil des Staatspräsidenten. Dass er immer für Überraschungen gut ist, bewies er wieder einmal am 28. September, als er vor den gewählten Mitgliedern der „Assemblée de Corse“ in Ajaccio eine Autonomie „dans la République“ für die Insel ankündigte. Gemeinsam mit der Regierung und allen politischenKräften soll nunmehr gemeinsam ein „texte constitutionnel et organique“ erarbeitet werden, der der Versammlung in sechs Monaten zur Zustimmung vorgelegt wird. Auf dieser Grundlage soll dann die Verfassung ergänzt werden. Ob sich dafür eine Mehrheit in beiden Kammern erwärmen kann, ist indes durchaus noch offen.
Bei dieser Gelegenheit und nur am Rande: Für die an Berliner Diskussionen gewöhnten Mitglieder, bei denen es auch immer wieder um die altehrwürdige „Mohrenstraße“ in Mitte geht, ist einigermaßen erstaunlich, dass die traditionelle korsische Flagge mit dem „Mohrenkopf“, wahlweise mit Stirnband oder Augenbinde, in Frankreich soweit ersichtlich keinerlei Anlass für Kritik gibt, stattdessen Objekt korsischen Nationalstolzes ist.
Unser Jubiläum
Unser langjähriges Mitglied Heike-Dagmar Joa hat gerade festgestellt, dass unsere Gesellschaft am 18. Oktober 1988 in das Bonner Vereinsregister eingetragen wurde und somit fast auf den Tag genau seit nunmehr 35 Jahren besteht. Nach Sichtung ihres Archivs wird sie uns demnächst ein paar Zeilen über diesen historischen Moment in den deutsch-französischen Beziehungen schicken.
Mail an alle
Die französische Botschaft hat folgendes Mailing an alle Botschaftsmitarbeiter mit Kontakten zu den Ministerien, an die Direktoren des Institut français, an die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) und an die deutschen Ministerien versandt, in dem sie auf die aktuellen Studienangebote des Institut national de servive public aufmerksam gemacht hat. Wir wurden gebeten, auch unsere Mitglieder zu verständigen. Es wäre schön, wenn Sie die Informationen an mögliche Interessenten und Interessentinnen weitergeben könnten. Im Hinblick auf eine Reform des Ablaufes der scolarité bestehen allerdings noch Unsicherheiten über die genauen Termine.
„Das INSP bietet zwei Ausbildungszyklen für ausländische Beamte und Staatsbedienstete an:
- Cycle International Long (CIL): 13 (+1) Monate, ab dem 1. September 2024. Das Programm richtet sich an deutsche Hochschulgraduierte und qualifizierte Nachwuchskräfte des gehobenen bzw. höheren Dienstes der öffentlichen Verwaltung.
- Cycle International de Perfectionnement (CIP): 8 Monate, ab dem 1. Dezember 2024. Dieses Programm ist geöffnet für deutsche Beamtinnen und Beamte oder Angestellte des höheren Dienstes der öffentlichen Verwaltung
Die interessierten Bewerber aller Fachrichtungen sollten über sehr gute Französischkenntnisse verfügen, Englisch beherrschen und einen Hochschulabschluss (Master 1 oder gleichwertig) vorweisen können. Hinweis: Der CIL steht auch künftigen Beamten offen.
Es besteht zudem die Möglichkeit, dass die Studierenden im Rahmen dieser langen Studiengänge einen berufsbezogenen Master in Communication des institutions publiques, Administration publique générale oder in Action publique en Europe abzulegen, der von dem INSP in Zusammenarbeit mit herausragenden französischen Universitäten organisiert wird: dem CELSA in Paris, der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und der Universität Straßburg.
Deutsche interessierte Bewerber*innen müssen sich
- auf der Internetseite des INSP einschreiben: Bewerbungsschluss ist voraussichtlich Mitte November 2023,
- für ein Stipendium beim Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) in Bonn bewerben. Ansprechpartnerin ist Frau Melanie Lemke, Tel.: +49 228 882 – 8675; E-mail: m.lemke@daad.de). Es gilt der gleiche Bewerbungsschluss wie INSP.
Für eine Bewerbung beim DAAD sollten Sie nicht länger als ein Jahr vor dem Bewerbungszeitpunkt in Frankreich wohnhaft gewesen sein. Sollte dies der Fall sein, kontaktieren Sie bitte die Abteilung für Hochschulkooperation der Französischen Botschaft. Dies gilt auch, wenn Sie über keinen deutschen Hochschulabschluss verfügen.“
Ein Ende der „Frankophilie“?
Wenig erfreuliche Perspekiven zeichnete der Publizist Alexander Pschera unter dem Titel „Das Ende der Frankophilie in Deutschland“ in einem Beitrag für die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 1. September, auf den uns unser Mitglied Hans-Walter Schlie aufmerksam gemacht hat: https://www.nzz.ch/feuilleton/frankophilie-die-franzosen-zu-moegen-ist-in-deutschland-ein-aussterbendes-phaenomen-ld.1753335.
In der Tat sind die Zeiten vorbei, als ein Friedrich Sieburg über „Unsere schönsten Jahre. Ein Leben mit Paris“. schreiben konnte. Hierzu indes nur zwei Anmerkungen: Ganz ausgestorben ist diese kulturhistorisch inspirierte Literaturgattung noch nicht, wie das Buch von Günter Müchler, auch er allerdings aus der älteren Generation, „Beste Feinde. Frankreich und Deutschland – Geschichte einer Leidenschaft“ (Darmstadt 2022, wbg Theis) beweist (Besprechung folgt in der nächsten Ausgabe). Zweitens ist „Frankophilie“ ein, wenn auch schönes, keinesfalls aber zwingendes und allenfalls historisch begründetes Beiwerk zu der engen politischen Zusammenarbeit, die in den 50er Jahren ihren Anfang genommen hat.
Wenn sie vermisst wird, ist dies vielleicht nur Ausdruck bestimmter „typisch deutscher“ Sehnsüchte wie auch die „Italomanie“ des 19. Jahrhunderts, die in den 50ern etwas banaler unter touristischen Aspekten wieder auflebte und bis zur Verklärung der Toscana als chiantiseligem Arkadien in den 90ern reichte. Zu greifbaren politischen Auswirkungen führte diese Stimmung indes nicht. Im Gegenteil überdeckte sie nur leicht nationale Stereotypen.
Die „Frankophilie“ haben ENA-Absolventen trotz allem immer noch in Fleisch und Blut und damit ein weiteres Moment, sich dafür einzusetzen, dass es mit den deutsch-französischen Beziehungen wieder aufwärts geht.
Aufbruch oder weiter so?
Am 19. September fand in Berlin – fast zeitgleich mit der Vorstellung des Berichts der deutsch-französischen Expertengruppe zu Reformen der EU in Brüssel – anlässlich des 60jährigen Jubiläums des Elysée-Vertrags eine Veranstaltung der „Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften“ (VDFG) statt, an der auch mehrere unserer Mitglieder teilgenommen haben. Die schon 1957 gegründete VDFG unter ihrem Präsidenten Jochen Hake (Holzwickede bei Dortmund) versteht sich mit rund 140 Mitgliedsorganisationen als Plattform und Netzwerk für die zivilgesellschaftliche deutsch-französische Zusammenarbeit.
In der einführenden Gesprächsrunde betonte Botschafter François Delattre – in Übereinstimmung mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Franziska Brantner – die insgesamt gute Zusammenarbeit. Bei internationalen politischen Fragen werde das „erste Telefonat“ mit den französischen Partnern geführt. Bemerkenswert auch das Verständnis aus dem Klimaministerium dafür, dass „Frankreich eher aus der EU austritt als auf die Atomkraft zu verzichten“. Auch der Botschafter äußerte sich optimistisch und bekäftigte, dass „der deutsch-französische Motor wieder auf Hochtouren“ laufe.
Nachdem – wie Brantner darlegte – die Zusammenarbeit bislang im „Arbeitsmodus“ erfolgt sei, kommt es für Delattre nunmehr darauf an, zu Ende eines „deutsch-französischen Zyklus“ in einem völlig anderen Kontext „ein neues Kapitel aufzuschlagen“. Auf der Tagesordnung stünden nun Strategien für Dekarbonisierung, Reindustrialisierung, Künstliche Intelligenz und Quantentechnik. Brantner betonte die „digitale Souveränität“ im Hinblick auf die Cloud-Technologie, während Delattre breiter angelegt von „technischer Souveränität“ sprach. Brantner dämpfte indes, dass nicht alle Wirtschaftszweige „strategische Industrien“ seien.
Im Hinblick auf die Zivilgesellschaft verwies Delattre auf einen deutsch-französischen „Sommer des Sports“ 2024 mit Olympiade und Fußball-Europameisterschaft sowie Programme in Ostdeutschland und für eine „Generation Europa“. Jährlich sollen je 20 Personen aus beiden Ländern ausgetauscht und so „Appetit“ auf das Nachbarland vermittelt werden. Offen blieb, warum angesichts des bisherigen ENA-Programms ein neues Programm nötig ist.
Bei einem Podium mit Europapolitikern von Koalitionsparteien und CDU aus dem Bundestag, an dem auch camarade Jacob Ross mitwirkte, wurde unter anderem das Fehlen der Jugend in den deutsch-französischen Aktivitäten thematisiert. Unterschiedlich beurteilt wurde, ob es „mehr Pathos“ für die Beziehungen brauche. Hervorgehoben wurde von den Parlamentariern die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit für und in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV). Von deren Arbeit waren indes lediglich Absichtserklärungen zu hören. Für Erleichterungen der grenzüberschreitenden Zusmamenarbeit in Berufsbildung und Handwerk setze man auf Abweichungsmöglichkeiten von hindernden nationalen Vorgaben durch „Experimentierklauseln“.
Deutsch-französische Initiative zur EU-Reform
Die beim Deutsch-Französischen Ministerrat am 23. Januar eingesetzte gemischte Arbeitsgruppe hat einen 52seitigen Bericht in englischer Sprache unter der maritimen, vielleicht von Rod Steward inspirierten, gleichwohl in Zeiten der Containerschifffahrt etwas anachronistischen Überschrift „Sailing on High Seas – Reforming and Enlarging the EU for the 21st century“, vorgelegt. Die Empfehlungen zu einer Reform der EU wurden von den Staatsministerinnen Anna Lührmann und Laurence Boone am 19. September am Rande eines EU-Ministerrats in Brüssel vorgestellt.
Bemerkenswert war, dass von der deutschen Staatsministerin bis auf die unbestrittenen Reformnotwendigkeiten im Hinblick auf die EU-Erweiterung und die Betonung der Rechtsstaatlichkeit im Einzelnen keine inhaltlichen Positionen bezogen wurden. Obwohl von den Regierungen eingesetzt, stellen die Überlegungen, wie auch von den (vornehmlich) Autorinnen betont, keine „offizielle“ Reformagenda beider Staaten dar.
Deutsche Berichterstatterin in der „Groupe of Twelfe“ war Daniela Schwarzer (früher DGAP). Wie sie kamen die Mitglieder der Gruppe aus angesehenen Think tanks und hatten auf deutscher Seite, bis auf den Juristen Franz Mayer, einen politikwissenschaftlichen Hintergrund. Dies ist der etwas „hauptseminaristischen“ Gestaltung und der Diktion des Berichts anzumerken („EU as decision-making system“). Zu bekannten Streitfragen werden statt einer eindeutigen Positionierung immer wieder lediglich Alternativen vorgestellt.
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis der geopolitischen Bedeutung einer Erweiterung der EU und als drei Oberziele – zwischen denen jeweils Verbindungen bestehen – werden Handlungsfähigkeit, Erweiterungsbereitschaft sowie „rule of law“ und demokratische Legitimität betont. Dezidiert sind die Autorinnen der Ansicht, dass ohne Reformen eine Erweiterung nicht möglich ist und schlagen hierfür einen Zeitplan bis 2030 vor. In den Empfehlungen findet sich ein bunter Strauß von teilweise schon lange diskutierten Reformansätzen. Beispiele sind der grundsätzliche Übergang zu Entscheidungen mit (einer leicht modifizierten) qualifizierten Mehrheit, die Bestimmung des Kommissionspräsidenten oder weitere Finanzierungsmöglichkeiten für die EU. Ausführlich widmet sich der Bericht dem Verfahren von Vertragsänderungen, wo er angesichts der offenkundigen politischen Schwierigkeiten mehrere Wege anbietet. Dabei geht es auch darum, wie vermieden werden kann, dass solche, obwohl von den Regierungen beschlossen, von nationalen Gerichten oder in Volksabstimmungen konterkariert werden. Auch für die Beitrittsverfahren – wahlweise nach dem „Regattaprinzip“ oder als „big bang“ – werden verschiedene Varianten ins Spiel gebracht.
Wohl als Zugeständnis an EU-Skeptiker wird eine aus Mitgliedern des Europäischen Gerichtshofs und der nationalen Verfassungsgerichte gemischte Kammer, die Kompetenzfragen klären soll – eine alte Forderung auch der deutschen Länder – angeboten.
Immehin fast dreißig Jahren nach dem „Lamers-Schäuble-Papier“ von 1994 wird für die Zukunft das Konzept einer EU mit vier „konzentrischen Kreise“ – von einem harten Kern über die bisherige EU, den Kreis assoziierter Staaten bis hin zur „Europäischen Politschen Gemeinschaft“ (EPC), nach dem Vorschlag von Präsident Emmanuel Macron – als künftiges Strukturprinzip entwickelt.
In Manchen ist der Bericht stark von der aktuellen europapolitischen „Gefechtslage“ geprägt. Es geht um Fähigkeiten zur Bewältigung aktueller Krisen und auch das Rechtsstaatsprinzip wird mehrfach betont. Hintergrund sind hier wohl gewisse Zweifel im Hinblick auf die Erweiterungskandidaten.
„Lettre d’Allemagne“
Der langjährige Korrespondent von Radio France Internationale in Deutschland, Pascal Thibaut (Foto: Pierre-Jérôme Adjedj), versendet einen umfangreichen wöchentlichen Informationsdienst namens „Lettre d’Allemagne“. Über die Berichterstattung zum aktuellen Geschehen in Deutschland hinaus findet sich darin iauch eine besondere französische Perspektive, die für unsere Mitglieder interessant sein kann. Ein Monatsabonnement ist für 4 Euro, aber auch gratis möglich: https://lettredallemagne.kessel.media/ .
In der Ausgabe vom 17. September unter dem Titel „Captain Scholz et le MS Germania“ wird zur Halbzeit eine durchaus positive Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit gezogen, die im Gegensatz zur médiocre popularité der Koalition stehe.
Weitere Themen sind beispielsweise: In Frankreich, das traditionell insoweit von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt werde, freue man sich über einen Artikel des „Spiegel“, in dem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes hervorgehoben wird (hier fällt sogar das deutsche Wort „Schadenfreude“). Ein weiteres Thema ist, dass Präsident Emmanuel Macron sich für eine ähnliche Regelung für den Öffentlichen Personenverkehr in Frankreich wie das Deutschland-Ticket ausgesprochen habe, während der französische „pass culture“ mit Gutscheinen über 200 Euro wiederum Nachahmung in Deutschland gefunden habe. „C’est aussi cela la richesse de la relation franco-allemande“, ist eine Schlussfolgerung von Thibaut.
Termine
Die vom Deutsch-Französischen Kulturkreis, der auch das ganze Jahr über frankophone Kultur anbietet (www.deutsch-franzoesischer-kulturkreis.de/) organisierte 18. „Französische Woche Heidelberg“ findet mit einem umfangreichen Programm vom 13. bis 22. Oktober statt: www.französische-woche.de) . Die zahlreichen Veranstaltungen reichen von Literatur und Theater, Musik und Film bis hin zur Politik. Hier wirkt auch unser unermüdlicher camarade Jacob Ross mit. Die Studierenden werden die französischen Drei-Gang-Menus in den Mensen zu schätzen wissen. Die Veranstaltungen werden u. a. von Bundes- und Landesregierung und der Baden-Württemberg-Stiftung unterstützt.
Am 17. Oktober finden, organisiert vom nimmermüden Generalkonsul Gael de Maisonneuve, Jubiläumsfeierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des Institut français Stuttgart statt, zu denen auch unsere baden-württembergischen Mitglieder eingeladen sind. Die Veranstaltungen beginnen mit einer offiziellen Eröffnung durch Oberbürgermeister Frank Nopper und unseren camarade Wolfgang Schuster als Vorsitzendem des Vereins der Freunde des Institut français Stuttgart. Es folgen die Verleihung des Ordens „Officier dans l’Ordre des Palmes Académiques“ an Dr. Christa Weck, der Leiterin der Abteilung Französisch des Ernst Klett Verlags und des Ordens „Chevalier des Arts et des Lettres“ an Dr. Stefanie Stegmann, der Leiterin des Literaturhauses Stuttgart. Das Jubiläum ist mit Podiumsdiskussion und Ausstellung eingebettet in die Reihe „Face à Gaïa“ zu den Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Suffizienz.
Der Deutsch-Französische Wirtschaftskreis (www.dfwk.eu) veranstaltet am 22. November in Berlin zusammen mit den Wirtschaftszeitungen Les Echos und dem Handelsblatt die nunmehr neunte Ausgabe der German French Business Forum unter dem Leitthema „Die Zukunft der europäischen Industrie in Zeiten des zunehmenden Nationalismus“. Näheres unter https://fgbf.eu/.
Freude am Oberrhein
Während sich die politischen Beziehungen zu Frankreich eher dahinschleppen, berichtet unser Korrespondent vom Oberrhein, unser Mitglied Andreas Uebler (Sélestat), von positiven Entwicklungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein. Nach mehr als 80 Jahren gab es am 3. September mit dem Fährschiff „Napoleon“ wieder (zumindest symbolisch) eine erste direkte Verbindung zwischen Weisweiler (Landkreis Emmendingen) und dem elsässischen Schönau (Département Bas-Rhin). Beide Gemeinden haben über den Rhein hinweg eine Sichtverbindung von Kirchtum zu Kirchtum, eine 1873 errichtete Pontonbrücke wurde indes 1940 zerstört und in den langen Jahren seitdem nicht wieder aufgebaut. Wie am Oberrhein guter Brauch, wurde das Projekt mit einem großen „Fährfest“ unter Beteiligung zahlreicher politischer Prominenz von beiden Seiten des Rheins begonnen (Foto mit dem maire von Schönau, Michel Butscha). Hälftig kofinanziert mit Mittel aus dem EU-Programm INTERREG soll nun eine 150.000 Euro teure Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten einer regelmäßigen Verbindung klären.
Politischer Herbst und Frühlingserwachen
Das Schreiben von Büchern hat für die französische classe politique eine ganz besondere Bedeutung: Auch ohne Bezug zur praktischen Politik empfielt man sich feinsinnig und literarisch bewandert für Höheres oder aber versucht im nachhinein, an seinem Ruf in der Geschichte zu arbeiten.
Ein Beispiel für Letzteres ist der Ende August vom früheren französischen Staastpräsident Nicolas Sarkozy vorgestellte zweite Band seiner Erinnerungen „Le temps des combats“ (Fayard 543 Seiten, 28 Euro) vor. Christoph Büchi von der NZZ vermisst darin „große Linien und analytische Durchdringung“ und äußert sich über das Werk sowohl stilistisch als auch inhaltlich enttäuscht („Wust von Geschichten und Anekdoten mit viel persönlichen Wertungen und Eigenlob“).
Mit seinem neuesten Buch „Les lieux qui disent“ (Lattès, 250 Seiten, 21,90 Euro) setzt Eduard Philippe, früherer Premierminister und möglicher Kandidat für die nächste Präsidentschaft, den mit „Des Hommes qui lisent“ begonnenen essayistischen Versuch fort, Quellen französischer Identität herauszuarbeiten. Bemerkenswert, dass es in Frankreich nicht nur Historiker, sondern auch poltische Praktiker sind, die sich mit den „Erinnerungsorten“ beschäftigen.
Wenige Monate vorher hatte bereits Wirtschafts- und Finanzminster Bruno Le Maire mit der „Fugue américaine“ (Gallimard, 480 Seiten, 23,50 Euro) rein fiktional und erotisch garniert vorgelegt. Immerhin das fünfte Buch in der Amtszeit eines vielbeschäftigten Ministers, was auch für Kritik sorgte.
Spätsommerliches Treffen am Lieztensee
Helmut Nicolaus und seine Frau Ute hatten die Berliner Mitglieder zu einem „spätsommerlichen Treffen“ auf ihr spektakulären Anwesen am Ufer des Charlottenburger Lietzensees eingeladen. Während der Termin zunächst eine eher herbstliche Atmosphäre erwarten ließ, bescherte der wärmste September seit Beginn der Wetteraufzeichnungen dann hochsommerlichen Temperaturen. An die 20 Gäste diskutierten ein breites Spektrum aktueller Fragen von Berliner und innenpolitischen Themen über die deutsch-französischen Beziehungen bis hin zur großen Geopolitik.
Den Gastgebern sowie Maria-Luise Löper und Andreas und Marion von Mettenheim für die Unterstützung unser herzlichster Dank!
Aus dem Mitgliederkreis
Unser Mitglied Hans-Walter Schlie schrieb aus Straßburg:
„Ganz herzlichen Dank für Ihr wie immer sehr lesenswertes Forum. Es kommen darin wieder viele kritische Stimmen zum Stand der deutsch-französischen Beizhungen zu Wort, die ich leider aus eigener Erfahrung bestätige. Ich lebe seit über dreissig Jahren in Strassburg, unsere drei Söhne haben das Abi-Bac gemacht bzw. bereiten sich darauf vor. Ich selbst habe über zwanzig Jahre bei ARTE gearbeitet. Auch in einer Ehe geht die wechselseitige Faszination einmal zu Ende. Was eine Generation fasziniert, lässt die folgende kalt. Ohnehin ist die Faszination keine solide Grundlage für eine gemeinsame Zukunft. Insofern sollten wir uns damit abfinden, dass die für uns – die ehemaligen ENA-Schüler – bereichernden und für mich faszinierenden vergangenen Jahrzehnte Geschichte sind. Um so mehr Einsatz für unsere gemeinsame Zukunft wird von uns verlangt. Das Wichtigste scheint mir zu sein, dass sich ein klares Ziel herausbildet, wofür und mit wem wir unser Schicksal teilen wollen. Die Schweiz hat sich über Jahrhunderte gebildet, ohne dass eine wechselseitige Faszination der verschiedenen Kulturen je bestanden hat. Das gemeinsame grosse Ziel der winzigen Kantone waren Unabhängigkeit und Freiheit von Fremdbestimmung, dazu kam später die Neutralität. Die EU macht die Suche nach dem gemeinsamen Ziel eher schwerer als dass sie eine Grundlage für eine wirkliche Gemeinsamkeit bietet. Sie ist zu sehr auf wirtschaftliche Zielsetzungen fixiert anstatt auf Werte und vor allem: wer kann sich wirklich mit etwas identifizieren, das Grenzen und Ziele nicht klar benennen kann.“
In einem längeren Beitrag in der soeben erschienen Ausgabe der „Juristenzeitung“ setzt sich unser Vorstandmitglied Ralf Schnieders (Berlin) mit dem Rechtsrahmen von „ortsungebundenen Shared-Mobility-Angeboten auf öffentlichen Straßen“, vulgo E-Scootern, in Deutschland und Frankreich auseinander. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede: Während man die Behebung sich hier zeigender Missstände in Deutschland (entgegen sonst üblicher Reglementierungsfreude) auch aufgrund vermischter föderativer Zuständigkeiten eher tastend Rechtsprechung und Rechtspraxis überließ, hat der französische Gesetzgeber rasch eine passende Regulierungsgrundlage für eine solche „Sondernutzung öffentlichen Eigentums“ gefunden. In diesem Vergleich zeigt sich wieder einmal der Nutzen vertiefter Frankreich-Kenntnisse, wie sie das Studiuman der ENA vermittelt (JZ 2023, S. 865-868).
Unser langjähriges Mitglied Heinz-Jürgen Eulert-Grehn (Promotion Guernica 1974/76) hat leider altersbedingt seinen Autritt aus der Gesellschaft erklärt. Wir werden ihn und auch seine Expertise als Kassenprüfer, über die er als Mitarbeiter des Berliner Finanzsenators verfügte, vermissen und wünschen alles Gute!
UNESCO-Welterbe mit deutsch-französischer Geschichte
Am 19. September wurde in der Heidelberger „Alten Aula“ mit prominenten Gästen die Aufnahme des „Codex Manesse“, der in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wird, in die Liste der 496 Dokumente des UNESCO-Weltdokumentenerbe gefeiert. Die Handschrift steht damit in einer Reihe mit der „Magna Charta“ von 1215, der „Waldseemüllerkarte“ von Amerika (1507), den Logbüchern von James Cook (1768-1771), dem „Manifest der Kommunistischen Partei“ aus dem Jahre 1848, aber auch dem Film „Der Zauberer von Oz“ von 1939.
Die Leser des „Forum“ werden sich vielleicht wundern, dass dieses Ereignis hier Erwähnung findet. Hinter der um 1300 wohl in Zürich entstandenen „Großen Heidelberger Liederhandschrift“ mit ihren 138 Miniaturen, die als herausragendes Zeugnis höfischen Lebens der Stauferzeit gilt, verbirgt sich indes ein deutsch-französische Episode aus einer Epoche, die von der berüchtigten „Erbfeindschaft“ gepägt schien. Sie ist Beispiel für den bemerkenswerten deutsch-französischen Wissenschafts- und Kulturaustausch auch in dieser Zeit.
Nach einer wechselvollen Geschichte kam das Werk möglicherwiese über einen Verkauf der Witwe des pfälzischen „Winterkönigs“ Friedrich V. aus der Bibliotheca Paltina an den französischne Gelehrten Jacques Dupuy 1657 in die Königliche Bibliothek in Paris, der Vorgängerin der heutigen Bibliothèque nationale. Dort wurde sie von 1815 von Jacob Grimm entdeckt. Unter Vermittlung des Straßburger Buchhändlers Karl Ignaz Trübner kam das Werk im Tausch gegen eine größere Zahl französischer Handschriften aus der Sammlung des Earl of Ashburnham 1888 dann zurück nach Heidelberg. Zur Abwicklung der Transaktion hatte die Reichsregierung die beträchtliche Summe von 400.000 Goldmark zur Verfügung gestellt.
Die französischen Manuskripte waren in den politisch unruhigen 1840er Jahren vom leidenschaftlichem Buch- und Autographensammler Guglielmo Libri (nomen est omen), der mit der Erfassung der während der Französischen Revolution konfiszierten Bestände aus dem Besitz von „Aristokraten“ beauftragt war, aus zahlreichen französischen Bibliotheken entwendet und nach England verkauft worden.